Die Nordergoesharde, ein alter Verwaltungs- und Gerichtsbezirk, wurde
im Norden durch die Soholmer Au und im Süden durch die Arlau begrenzt, reichte im
Westen bis an die Nordsee bzw. später an die „oktroyierten“ – d. h. rechtlich und
verwaltungsmäßig selbstständigen, mit gewissen Vorrechten ausgestatteten – Reußenköge
und im Osten bis auf die „hohe Geest“. Die Bedeutung des Namens „Goes“ ist unbekannt,
vermutlich besteht eine Verbindung mit dem deutschen Wort „Gau“. Aus der Harde
entwickelte sich das Amt Bredstedt. Wie das Amt Flensburg, mit dem es eng verbunden
war, gehörte es bis 1721 zu den königlichen Anteilen im Herzogtum Schleswig und nahm
damit in Nordfriesland eine Sonderstellung ein; denn das sonstige Nordfriesland war mit
wenigen Ausnahmen herzoglich-gottorfisch. Zum Amt Bredstedt gehörten die Kirchspiele
Bredstedt, Breklum, Drelsdorf, Viöl, Joldelund, Langenhorn, Bargum, Bordelum und später
auch Ockholm. Nach kurzer Eigenständigkeit war das Amt Bredstedt im 19. Jahrhundert mit
dem Amt Husum verknüpft und wurde 1867 Bestandteil des Landkreises Husum. Im Rahmen
des Kreises Nordfriesland bestehen im Gebiet der früheren Nordergoesharde neben der Stadt
Bredstedt die Ämter Bredstedt-Land, Stollberg und – im Süden darüber hinausreichend –
Viöl. Die Stadt Bredstedt sowie die Ämter Bredstedt-Land und Stollberg bilden ab 2008 das
Amt Mittleres Nordfriesland.
Die Nordergoesharde – gemeinsam mit der Südergoesharde und der Karrharde eine der
„Geestharden“ Nordfrieslands – wies ganz unterschiedliche Landschaftsformen auf. Nur der
kleinere Westteil bestand aus Marschland. „Sämmtliche Geestländereien der Nordergoes-
Harde sind mit Heidestrecken und Morästen angefüllt“, schrieb noch 1821 der Bredstedter
Landvogt Christian Levsen. Erst im späteren 19. und im 20. Jahrhundert wurden sie
kultiviert. Kaum mehr als die schöne Bordelumer und Langenhorner Heide, schon 1938 unter
Naturschutz gestellt, ist davon geblieben. Die Wälder wie der Drelsdorfer Forst und der
Haaks bei Bohmstedt sind erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die ausgedehnten
Windschutzanpflanzungen in Joldelund erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.
Die meisten Orte zwischen Soholmer Au und Arlau wirken nach wie vor wie Bauerndörfer,
Bohmstedt zum Beispiel oder Goldelund, doch hat die Landwirtschaft auch hier ihre einst
absolut dominierende Stellung verloren. Viele einstige Bauernhöfe werden längst neu
genutzt. Zahlreiche Dorfbewohner pendeln nach Bredstedt, Niebüll, Husum oder Flensburg.
Die meisten größeren Ortschaften liegen am Geestrand, so ganz im Norden, beiderseits der
Bundesstraße 5, die das Gebiet der Nordergoesharde nord-südlich durchzieht, Bargum (608
Einwohner); der Ortsname weist auf seine erhöhte Lage hin. In Oster-Bargum hat die große
Windmühle „Aeolus“ durch private Initiative ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt bzw.
zurückerhalten. In Wester-Bargum lohnt ein Blick in die bescheidene, Harmonie
ausstrahlende Kirche.
Langenhorn (3 092 Einwohner), Hauptort im Norden der einstigen Harde, macht seinem
Namen alle Ehre. Aus mehreren aneinandergereihten Ortsteilen bestehend, ist es das längste
und auch größte Dorf weit und breit. Die ungewöhnliche, schöne Kirche mit T-förmigem
Grundriss beherbergt eine prunkvolle Orgel, die in jedem Sommer bekannte Organisten und
ein großes Publikum anzieht. Sie geht zurück auf eine Schenkung des Langenhorner
Bauernsohns Sönke Ingwersen von 1761. Dieser hatte seine Heimat nach einem Streit
verlassen; er meinte fälschlich, seinen Gegner getötet zu haben. In Ostindien wurde er reich
und nach der Rückkehr in die Heimat als Baron von Gelting geadelt. Eine Gedenktafel in der
Kirche erinnert an den in Langenhorn geborenen bedeutenden Pädagogen und Philosophen
Friedrich Paulsen.
Weite, äußerst dünn besiedelte Marschflächen erstrecken sich zur Nordsee hin. In Ockholm
(372 Einwohner), ganz im Westen gelegen, kann man noch heute, fast 500 Jahre nach der
Landfestmachung spüren, dass es im späten Mittelalter – und nochmals für einige Jahre nach
der Sturmflut von 1634 – eine Hallig war. Viele Häuser und auch die kleine Kirche mit dem
hölzernen Glockenturm stehen auf Warften. Die Gemeinde Bordelum (1 991 Einwohner)
besteht aus mehreren Ortsteilen, zumeist an der Landstraße von Bredstedt nach den
Fährhäfen Dagebüll und Schlüttsiel gelegen. Einsam am Stollberghang steht die schöne alte
Kirche. In der Nähe entspringt eine Quelle, deren Wasser in früheren Jahrhunderten viele
Krankheiten und Gebrechen geheilt haben soll. Weithin bekannt und bei kirchlichen
Würdenträgern berüchtigt war die „Bordelumer Rotte“, die 1738/39 ein radikales
Christentum forderte und zum Beispiel für Gütergemeinschaft statt Privateigentum eintrat.
Eine weithin sichtbare Landmarke ist der hohe Turm der alten Hauptkirche der Harde in
Breklum (2 325 Einwohner). In besonderer Weise geprägt wurde das Dorf durch die 1876
von Pastor Christian Jensen gegründete Missionsgesellschaft. Sie sandte Missionare und
Pastoren vor allem nach Indien, Afrika, China, Papua-Neuguinea und Nordamerika aus. So
unterhält Breklum noch heute weltweite Verbindungen, obwohl der Sitz des Nordelbischen
Missionszentrums inzwischen nach Hamburg verlegt wurde. Breklum beherbergt aber
weiterhin christliche Einrichtungen, so eine Seminarstätte und ein Sanatorium. Das
Kirchspiel umfasst ein außergewöhnlich großes Landgebiet, bis hin nach Lütjenholm (337
Einwohner) im Norden und Högel (470 Einwohner) im Osten. Eine schöne holländische
Windmühle steht in Struckum (990 Einwohner) unweit der Bundesstraße 5, die 1806
errichtete „Fortuna“.
Zu den alten Kirchen der Region gehört auch die in Drelsdorf (1 281 Einwohner). In ihr hängt
das Bildnis eines zehnjährigen Pastorensohns, mit weit geöffneten Augen ängstlich blickend,
eine rote Nelke in der Hand haltend. Er ertrank 1656 aufgrund einer Unachtsamkeit des
Knechtes – „aquis incuria servi submersus“. Bild und lateinische Inschrift regten Theodor
Storm zu seiner Novelle „Aquis submersus“ an. Ahrenshöft (511 Einwohner) wird vor allem
als Ort mit der zentralen Mülldeponie für Nordfriesland angefahren, weist aber auch manch
schönes Haus auf.
Die Dörfer auf der östlichen Geest werden in der Literatur häufig stiefmütterlich behandelt,
bieten aber manches Kleinod, so zum Beispiel Joldelund (732 Einwohner) mit seiner
Feldsteinkirche und seiner Windmühle mit „Steert“. Hauptort im Osten ist das an der alten
Straße Husum-Flensburg gelegene Viöl (1 900 Einwohner), das früher als Marktdorf und
heute als Sitz von Amtsverwaltung, Schulen, Firmen auf ein weites Umland ausstrahlt. Der
aus dem dänischen „Fjolde“ abgeleitete Ortsname ist verwandt mit dem deutschen Wort
„Feld“. Weithin sichtbar liegt auf einer Anhöhe die romanische Kirche St. Christophorus mit
ihrem stumpfen Turm. Der Sage nach hat ein Riese in Drelsdorf seinen Gegner in Viöl mit
Felssteinen beworfen und dabei die Spitze getroffen.
Aus: Thomas Steensen: „Mitten in der Welt“: Bredstedt und die Nordergoesharde. In: Thomas Steensen (Hrsg.): Das große Nordfriesland-Buch, Hamburg 2000.
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