Sylt litt wegen seiner exponierten Lage im Wattenmeer von jeher unter
schwierigen Verkehrsverhältnissen. Besonders nach der Gründung des Seebades
Westerland 1855 waren gute Verkehrsanbindungen gefragt. Der Chronist C. P. Hansen
schlug deshalb mehrfach Dammbauprojekte zwischen der Insel und dem Festland vor. 1876
folgte der Geologe Ludwig Meyn (1820-1878) nach einer Untersuchung des Wattbodens mit
einem positiven Befund für einen Dammbau. Im Ostteil der Insel, vor allem in Archsum
und Morsum, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Es gab Stimmen, die sich wegen einer
drohenden Überfremdung und nachteiliger Veränderungen der jahrhundertealten
sylterfriesischen Kultur große Sorgen machten. 1913 wurde das Vorhaben vom preußischen
Landtag genehmigt, doch verhinderte der Erste Weltkrieg zunächst die Ausführung.
Die Abtrennung Nordschleswigs, besonders der Verlust des Hafens Hoyerschleuse an
Dänemark, machte ab 1920 eine "deutsche" Verbindung vom Festland nach Sylt
unverzichtbar. 1921 wurde mit Vorarbeiten und im Mai 1923 mit dem Bau des Dammes
begonnen. Widerstand regte sich kaum noch, der Glaube an den Segen des Fortschritts hatte
sich weitgehend durchgesetzt. Die Trasse folgte einer Wattwasserscheide zwischen Morsum
und der Wiedingharde. Im August 1923 zerstörte eine Sturmflut alles bis dahin Geleistete.
Deshalb zog man im nächsten Frühjahr eine Spundwand durch das Watt, an die sich das
Erdreich "anlehnte". Unter der Regie des "Preußischen Wasserneubauamtes Dammbau Sylt"
waren bis zu 1 500 Arbeiter in Tag- und Nachtschichten beschäftigt. Täglich rollte ein
Materialzug mit 70 Wagen von der Festlandsseite heran. Auf der Sylter Seite bedienten 30
Segler, 3 Schlepper und 20 Schuten die Arbeiter mit Baustoffen aus Husum. Nach vierjähriger
Arbeit waren die vier Tiefen Westerley, Sylter Ley, Holländerloch und Osterley überwunden.
Der 11,2 Kilometer lange Eisenbahndamm wurde am 1. Juni 1927 vom damaligen
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg eingeweiht, nicht aber offiziell auf seinen Namen
getauft. Engagierte Friesen forderten 2002 zum 75. Jahrestag der Eröffnung eine
Umbenennung.
Die Sohlenbreite des Bauwerks beträgt 50 Meter, die Breite der Dammkrone elf Meter und
die Gesamthöhe rund zehn Meter. Unter der Leitung von Wasserbauingenieur Hans Pfeiffer
mussten 3,6 Millionen Kubikmeter Erde und über 400 000 Tonnen Steine, Kies, Busch und
Pfähle bewegt werden. 25 Millionen Reichsmark kostete der komplette Eisenbahndamm.
Seit 1932 verkehrt der Autozug, seit 1962 mit Doppelstockwagen. 1973 wurde ein zweites
Gleis verlegt. Heutige Überwachungstechniken gewährleisten, dass etwa 100 bis 120 Züge
täglich den Hindenburgdamm befahren können.
Der Damm setzt den Meeresströmungen ein erhebliches Hindernis entgegen, so dass es
seither zu erhöhten Hochwasserständen im Sylter Watt kommt. Es wurde deshalb mehrfach
angeregt, Schleusen oder ein Gezeitenkraftwerk in den Damm einzubauen. Für einen
wirtschaftlich rentablen Betrieb ist allerdings der hier auftretende Tidenhub (Gezeiten) zu
gering. Die durch den Damm geförderte Verschlickung des Watts ermöglichte aber 1954 die
Eindeichung des rund 1 400 Hektar großen Friedrich-Wilhelm-Lübke-Kooges auf dem
Festland südlich des Damms. Er verkürzte sich dadurch auf 8,1 Kilometer.
Andere Nebeneffekte des Dammbaus werden mehr oder weniger begrüßt. Einerseits dient der
Damm heute vielen Freizeitpiloten als Peilobjekt bei ihrem Anflug auf den Westerländer
Flughafen. Andererseits gelangen über das Bauwerk Maulwürfe, Dachse, Füchse und
Maikäfer auf die Insel mit enormen Folgen für die Vogelwelt. Zur größten Bedrohung des
Insellebens aber wurden die vielen Fahrzeuge, die Zersiedelung der Landschaft, eine
steigende Kriminalitätsrate und die Zerrüttung sozialer und familiärer Strukturen.
Bock 1989, Boie 1930, Eckert/Stöver 1977, Hubertus Jessel 1996b, Steensen 1996a, Voigt 1977, Wedemeyer 1985.
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